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Schön, dass wir so verschieden sind

Quergedanken im September 2023 von Andreas Pecht

 

Andreas Pecht

Der Volksmund sagt: „Über Geschmack lässt sich nicht streiten." Ich pflege zu ergänzen: „Über Geschmack lässt sich trefflich, aber völlig vergebens streiten." Läuft auf dasselbe hinaus, meint ihr. Ah, nicht so ganz. Ersteres findet sich bei Zeitgenossen wieder, die etwa in Sachen Essen und Trinken, Outfit, Kultur, persönlicher Lebensart generell über die diversen Vorlieben ihrer Mitmenschen nur gleichmütig die Achseln zucken. Dies auch noch, wenn sich die Geschmäcker jener erheblich von den eigenen unterscheiden – und der eigenen Geschmacksfreiheit nicht im Wege stehen sowie der Allgemeinheit nicht schaden.

 

Allerdings scheint mir nach 68 Jahren Lebenserfahrung, dass solcher Gleichmut gegenüber den Geschmäckern anderer eher Ausnahme als Regel ist. Denn meistens tritt, sobald Geschmacksunterschiede offensichtlich werden, der leidige menschliche Drang hervor, Urteile zu fällen. Weshalb in der Realität über Geschmäcker mehr gestritten respektive geurteilt wird, als die Achseln gezuckt. Selbst zwischen so dicken Freunden wie Walter und mir dauerte es Jahre, bis er akzeptiert hatte, dass ich Krimis jedweder Art nicht mag, einfach keinen Draht zu diesem Genre habe.

 

Endlose Stunden analysierte er herum, woher diese für ihn völlig unbegreifliche Abneigung wohl rührt. Mit all den Vorträgen, die er mir hielt über die unendlichen künstlerischen, soziokulturellen, psychologischen, gesellschaftskritischen etc. Darstellungsmöglichkeiten von Krimis, ließen sich Buchbände füllen. Für mich waren das die langweiligsten unserer Gespräche. Denn es interessiert mich nicht Bohne, welche frühkindliche Prägung oder welches jugendliche Trauma oder was für eine genetische, vielleicht auch unbewusst weltanschaulich-ethische Disposition dafür verantwortlich sein könnte, dass ich keinen Gefallen an Krimis finde.

 

Ich mag Krimis einfach nicht; fertig. Wie ich auch Brokkoli, Fenchel oder Sushi, Sekt und Riesling partout nicht runterkriege. Wie ich an Schlagern, vollen Bierzelten oder Sonnenbaden keinen Spaß habe. Wie mir ewig unbegreiflich bleiben wird, dass man im Auto mehr als ein Transportmittel sehen, es sogar „lieben" kann. Wie mich eine Krawatte derart befremdet, dass ich im ganzen Leben nur einmal 15 Monate lang eine besaß: den Halsbinder zur Parade- und Ausgehuniform der Bunderswehr. ... So, jetzt mal Hand aufs Herz. Wie oft ist ihnen, der geschätzten Leserin und dem Leser, bei dieser nur kleinen Aufzählung der Gedanke oder das Gefühl durchs Hirn geschossen: „Sehr seltsam, der Kerl. Wie kann er nur (dies und das nicht mögen)? Aber man sollte oder muss doch." Muss man?

 

Wir könnten die Aufzählung endlos erweitern. Etwa auf das Wohnen. Es gibt Leute in meinem Bekanntenkreis, deren Wohnungen sind ebenso designmäßig durchgestylt wie es ihre Ausgehgarderobe ist. Sie sehen dann in der Innenausstattung wie auch im Gartenumfeld unseres kleinen Häuschens vor allem (stilistische) Unordnung, ja Mangel an Geschmack. Walter hingegen mault bei Besuchen immer wieder mal über „allzuviel Ordentlichkeit und Bürgerlichkeit" – wie umgekehrt ich mich in seiner Totalchaosbude weder zurechtfinden noch wohlfühlen würde; was für die Design-Domizile der anderen ebenso gilt.

 

Gewiss, vielleicht ließen sich Leben, Gesellschaftsgestaltung, Zivilisationsentwicklung einfacher bewältigen, hätten wir alle gleiche oder ähnliche Geschmäcker und Ansichten. Aber, Himmel, wie langweilig wäre das dann auch.

 

Der Autor im Internet: www.pecht.info

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