Strohdumm, aber brandgefährlich
Quergedanken im Juni 2019 von Andreas Pecht
„Aha, die Nationalisten kriegen Prügel", freut sich Walter, als er die Überschrift sieht. Ich winke ab: „Nö. Das tät zwar aktuell passen, aber ich hab's diesmal mit der Zukunft. Und da spielt die Bagage der Umvolkungs-Krakeeler keine Rolle." Jetzt glotzt der Freund, japst nur noch „häh?". Etlichen Lesern*innen mag es ähnlich ergehen angesichts der Renaissance, die die Nationalreaktionäre in vielen Ländern erleben. Weshalb kurz erklärt sei: Ich bin fest überzeugt, dass das nationalistische Feuerwerk eine vorübergehende Erscheinung ist, ein letztes Aufbäumen gegen die unausweichliche Internationalisierung und Multikulturalisierung aller Gesellschaften auf Erden.
Spätestens beim Blick auf die drei Alterskohorten, die seit der Jahrtausendwende zur Welt gekommen sind, sollte doch klar sein: Wenn diese jungen Leute bald die federführende Erwachsenengeneration sind, haben sie ganz andere Probleme, als sich mit dann vollends weltfremden Phänomenen wie Nationalismus und Rassismus abzuplagen. Diese Digital Natives sind doch zum großen Teil heute schon quasi Weltbürger. Ihre Musik, ihre Moden, ihre Lektüre, ihre Kinofilme und TV-Serien, ihre Verhaltensweisen: alles global. Ihre Speisen und Getränke selbstverständlich so international wie ihre Netzkommunikation, ihre Bekanntenkreise, ihr Studium oder Teile ihrer Berufsausbildung. Selbst ihre deutschsprachigen Spaßmacher, heute Comediens genannt, stammen von allen Völkerschaften dieses Planeten ab.
Es ist doch schon jetzt so, dass jedes industrielle Produkt von der Suppenwürze bis zum Automobil Ergebnis weltweiter Produktionsketten ist. Der hiesige Supermarkt und das VW-Autohaus sind damit Tempel des Multikulturellen. Und würde man alle Menschen mit Migrationshintergrund der ersten bis dritten Generation aus dem Land jagen – es sähe übel aus für Wirtschaft und Wirtshäuser, erst recht für Gesundheitswesen und Altenversorgung. Kurzum: Die Reaktionäre könnten auf ihre Plakate statt „Ausländer raus!" auch schreiben „Deutschland zurück in die Steinzeit!". Die Geschichte zeigt Sinn für Humor: Heute sind es deutsche Nationalisten, die de facto den Morgenthau-Plan im Banner führen. (Morgenthau? Wer's nicht weiß: nachschlagen.)
Herrjeh, jetzt habe ich mich verquasselt. Wollte doch ich über KI schreiben. Über Künstliche Intelligenz, diese allüberall als DIE Zukunftstechnik behandelte Computerentwicklung. Näher betrachtet, zeigt sich, dass KI herzlich wenig gemein hat mit dem, was wir unter Intelligenz verstehen. KIs sind in Wahrheit strohdumm. Das kann man etwa an der Google-Suchmaschine sehen. Die ist viel zu doof, um eine Frage zu verstehen. Sie nimmt nur Schlagworte aus dem Fragesatz auf, durchsucht eifrig das WWW danach. Angezeigt werden dir tausende sinnlose Treffer, unter denen – vielleicht – ein paar sind, mit denen du was anfangen kannst. Begreifen, Einsicht, gar intuitives Verständnis für das Anliegen des Suchenden? Keine Spur.
KIs haben nur ein einziges Talent: Sie sind Weltmeister im Suchen, Sammeln, Abgleichen von Daten. Was sie mit den Datenbergen anfangen sollen, dafür müssen ihnen Menschen jeden Furz einprogrammieren. Beides zusammen macht KIs aber auch brandgefährlich, insofern diese Technik Orwells Totalüberwachung durch Big Brother wie Spielzeug aussehen lässt. Mit Intelligenz jedoch hat das nicht die Bohne zu tun. Wären unsere Kleinkinder so blöd wie KIs, es wäre nie eines erwachsen geworden.
Der Autor im Internet: www.pecht.info