Rauchzeichen von der Gesundheitsfront
Quergedanken im Oktober 2016 von Andreas Pecht
Man muss ja heute stets dazusagen, nichts Schlechtes im Schilde zu führen. Andernfalls rücken einem rasch jede Menge erregter Leute auf die Pelle. Also sei vorausgeschickt: Ich will weder für das Rauchen werben, noch seine Gefahren kleinreden. Für die Gesundheit ist es gewiss besser, nicht zu qualmen, zu schnupfen, zu priemen. Gleichwohl fordere ich mein Freiheitsrecht ein, ohne Diskriminierung, Drangsalierung, üble Nachrede oder demnächst vielleicht Verfolgung, der uralten Tradition des Tabakgenusses treu bleiben zu dürfen. Ferner fordere ich Gerechtigkeit für das Blattgewächs aus Indianerland: Gleichbehandlung mit allen anderen Genussmitteln, die im Übermaß konsumiert der Gesundheit ebenfalls schaden.
Es kann ja der Tabak nichts dafür, dass inzwischen die Zucker-, Fastfood- und Chemielobby das Sagen hat. Dass diese gemeinsam mit der Volkserziehungs-Mafia den Tabak zum Oberteufel erwählte – um im Schatten der Schlacht gegen den „Gesundheitsfeind Nr. 1” profitabel im Trüben fischen zu können. Es ist noch keine zehn Jahre her, da lief die Anti-Tabak-Kampagne noch unter dem Motto „Nichtraucherschutz”. Dafür hatten sogar passionierte Freunde von Glimmstängel, Pfeife und Tabaksrolle wie Walter und ich viel Verständnis. Vollgequalmte Büros, Ämter, Unis, Bahnen, Flieger, Restaurants, Stuben, wo auch Nichtraucher zum passiven Mitrauchen gezwungen waren, das sollte zurecht nicht mehr sein.
Wir gingen zum Schmoken ohne Murren vor die Tür, verlegten den Stammtisch in Raucherkneipen und richteten daheim ein Raucherzimmer ein. Dass zu später Stunde sich auch Nichtraucher stets gern und zahlreich just zu den Qualmern gesellen, gehört zu den Rätseln sozialer Interaktion. Mag sein, im Tabakstübchen geht’s behaglicher oder sinnlicher zu. Viel geholfen hat den Rauchern der Rückzug in eigene Gefilde übrigens nicht: Die Teufelsaustreiber setzen nach, verengen Zug um Zug die Räume für Raucher, würden Tabak am liebsten sofort zur illegalen Droge erklären und den Tabakkonsumenten zum Verbrecher, jedenfalls zum asozialen Schandfleck. Mit Nichtraucherschutz hat das längst rein gar nichts mehr zu tun – es geht um die völlige Ausrottung der Raucher.
„Zu recht”, psalmodiert die Gesundheitsinquisition. Denn das Rauchen sei eine das Volkswohl untergrabende Impertinenz und jeder Raucher ein Jugendverführer. Solche Anwürfe lassen Walter den Kragen platzen: „Hört doch auf! Bei jedem Volks- und Familienfest feiert ihr Bacchus als obersten Gott und gebt euch mit Wein, Bier, Schnaps die Kanne. Daheim mampft ihr Schnellgerichte aus Scheiße, unterwegs nudelt ihr die Kinder mit Burgerpampe. Kästenweise schleppt ihr hochkonzentriertes Zuckerwasser nach Hause oder sauft mit irren Koffeinmengen aufgepeppte Süßbrühe. Was auf die Äcker geschmissen, ans Vieh verfüttert oder ihm gespritzt wird, ist euch genauso schnuppe wie die chemischen Zusatzstoffe im Industriefraß. Leute, wie wär's mit Schockbildern von Fettleibigkeit, Diabetes- und Alkoholismusfolgen, zerfressenen Kinderzähnen, Antibiotikaresistenzen etc. etwa auf Limo- und Alkoholikaflaschen, auf Lebensmittelpackungen, in Fleisch- und Wurstauslagen, auf Brotaufstrichgläsern und Naschwerktüten?”
Das wäre so sinnlos und unappetitlich wie die Bilder jetzt auf den Zigarettenpackungen. Zumindest jedoch wäre es ehrlich – würde allerdings den derzeitigen Kräfteverhältnissen in der Lobbywelt nicht entsprechen.
Der Autor im Internet: www.pecht.info