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Wir im Bindestrich-Land

Quergedanken im Oktober 2013 von Andreas Pecht

 

Quergedanken - von Andreas Pecht

Alle kauen am Wahlergebnis, da muss ich meinen Senf nicht auch noch dazutun. Deshalb was ganz anderes: Landeskunde. Rief neulich eine Saarbrücker Redaktion bei mir an: „Können Sie mal eben nach Kaiserslautern fahren und was recherchieren?“ Ach jeh, wie einem Saarländer beibringen, dass mir als Mittelrheiner die Nachbarregionen NRWs und Hessens vertrauter sind als der ferne Süden des eigenen Bundeslandes? Meine Antwort: „Ihr seid mit dem Fahrrad schneller durchs ganze Saarland gestrampelt als ich von Koblenz mit dem Auto je in Kaiserslautern sein könnte.“

So ist das halt in Rheinland-Pfalz: Hier sind die meisten Wege weit. Hin und retour misst die Strecke Koblenz–Kaiserslautern 300 Kilometer, Mainz–Trier 320,  Remagen–Pirmasens 480. Und von Idar-Oberstein nach Betzdorf kann die einfache Autofahrt auch ohne Stau länger dauern als der Flug von Frankfurt nach Kairo. Weshalb seit der künstlichen Zeugung des Bindestrich-Landes 1946 sich neun Ministerpräsidenten redlich, aber mit mäßigem Erfolg mühten, ihrem Landesvolk ein Wir-Gefühl einzuimpfen.

Wird schon zusammenwachsen, was zusammengehört, hatten sie wohl gedacht. Fragt sich nur: Gehört wirklich zusammen, was da nach dem Krieg zusammengeschnürt wurde – weil's halt französische Zone war? Na ja, immerhin hatten wir Rheinland-Pfälzer schon einmal, unter Napoleon, alle zu Frankreich gehört. Und immerhin waren wir vor 2000 Jahren allesamt römisch. „Moment mal!“, tönt es von Westerwald und Taunus herab. „Wir waren nicht dabei. An uns haben sich die Römer die Zähne ausgebissen, eigens als Schutz gegen uns den Limes gebaut. Und von den Napoleonischen war nachher heroben auch nicht viel zu sehen.“

In der Tat erzählt sich die Geschichte der rechtsrheinischen Höhen ganz anders als diejenige des Rheintals und der linksrheinischen Gebiete. Schlimmer noch: Nach Ableben des Imperium Romanum zogen die selten brüderlich miteinander verkehrenden Erzbischöfe von Köln, Trier, Mainz Trennlinien zuhauf. Noch schlimmer: Mit dem Wiener Kongress 1815 wurden richtige Staatsgrenzen mitten durchs Land getrieben: Für rund 100 Jahre kam die Pfalz zu Bayern, fiel das Rheinland an Preußen, ging der Määnzer Puffer dazwischen an die Hessen.

Woher sollte bei so viel Trennendem der Humus für eine gemeinsame Landesidentität kommen? Zumal allein der nördliche Landesteil sich obendrein aus vielerlei Regionalvölkchen  zusammensetzt. Die sind einander von alters her zwar nicht spinnefeind, aber doch herzlich gleichgültig: Wäller, Nassauer, Hunsrücker, Eifelaner, Untermoselaner und Moseltrierer, Mittelrheiner, Ahrtäler, Siegerländer etc. – deren Dialekte zudem teils unterschiedlichen Sprachfamilien entstammen. Müssten die in ihren altvorderen Idiomen miteinander konferieren, es bräucht' bald so viele Dolmetscher wie in Brüssel.

Wir in Rheinland-Pfalz: Das ist 66-jährige Gewöhnung daran, von Mainz aus regiert zu werden. Überall herrscht stets Misstrauen, ob Landesentscheidungen die Regionen auch in gerechter Ausgewogenheit  bedenken. Was jeder Teil für sich sowieso bezweifelt. Ansonsten: Zieht es Rheinland-Pfälzer mal zum Urbanen oder Mondänen, macht die Hälfte „rüber“ – Pfälzer nach Mannheim, Heidelberg, Baden-Baden; Rheinhessen nach Frankfurt, gar Wiesbaden; Rheinländer nach Bonn, Köln, Düsseldorf. Denn dort sind wir allemal flotter als in irgendeiner der kleinen Großstädte im je anderen Teil unseres künstlichen „Heimatlandes“.

 

Der Autor im Internet: www.pecht.info

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