Von Männern und Röcken
Quergedanken im Februar 2018 von Andreas Pecht
Wir müssen mal wieder über Mode reden. Es hat nämlich Freund Walter eine verstörende Theorie entwickelt. Sie könnte die gesamte abendländische Kleiderordnung der Neuzeit infrage stellen. Denn danach sei der Regelumstand, dass Männer nur Hosen tragen, während Röcke den Frauen vorbehalten sind, wider die Natur. „Betrachtet man den Körperbau der Geschlechter“, so Walter, „wäre die umgekehrte Kleiderordnung vernünftig.“ Klar, dass mir etliche Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stehen. Weshalb er zwecks Einstieg in die nähere Erläuterung auf meine eigenen Ausführungen zum Büstenhalter vor knapp zwei Jahren verweist.
Damals hatte ich erklärt: Der BH ist von seiner naturgemäßen Funktionalität her das einzige (!!!) geschlechtsspezifische Kleidungsstück der Menschheitsgeschichte. Was leicht nachvollziehbar war, insofern man quer durch Zeitalter und Kulturen immer wieder Hosen, Röcke, Kleider, Jacken, Hüte, Schleier, Schuhe etc. etc. bei beiden Geschlechtern findet. Niemals indes trugen Männer BH oder einen seiner Vorläufer. Wozu auch? So weit, so gut. Was aber hat das mit Männern und Röcken zu tun? „Ei“, sagt Walter, „Männer haben doch auch ihre Ausstülpung nach außen.“ Da ich begriffsstutzig glotze, setzt er nach: „Kreuzgewitter, halt das Gelege, Gehänge, Gelärsch, Gemächt im Schritt.“
Jetzt fällt der Groschen. Der Zusammenhang mit der angeblichen Naturwidrigkeit von Männerhosen bleibt mir dennoch schleierhaft. Ungeduldig schmeißt der Freund nun mit höherer Biologie um sich: „Frauenbrüste hat die Natur nach außen gestülpt wegen der Stillerei. Warum aber hat sie des Mannes Glocken außen angehängt, statt sie warm und beschützt ins Innere des Körpers zu legen? Antwort: Um die Testikel luftig und kühl genug zu halten für die optimale Spermienproduktion. Was passiert nun, wenn wir die Apparatur in enge Hosen quetschen? Ihr geht die Luft aus und sie überhitzt. Das mindert die Potenz und die Zeugungsfähigkeit. Mal ganz davon abgesehen, dass man(n) immer wieder rumfummeln muss, um zwick-zwackende Fehllagerungen in der Bux zu korrigieren.“
Deshalb sei, so Walter, der Rock das ideale Untenrum-Kleidungsstück für Männer – sowieso für all jene, die die meiste Zeit sitzen, statt durchs Gebüsch Hirschen nachzujagen oder sich auf Schlachtfeldern herumzuschlagen. „Nie war der Männerrock wichtiger als heute!“ geht sein Resümee. Dagegen lässt sich wenig sagen, jedenfalls für den Sommer oder beheizte Räume. Warum aber bleibt der Männerrock dann Schottenfolklore oder ein nur gelegentlich auftretendes, stets belächeltes Randphänomen der Modeavantgarde? „Streng dein eigenes Hirn an“, raunzt der Freund.
Plötzlich geht mir ein Kronleuchter auf: „Wer hat hier die Hosen an?“, so fragt der Volksmund seit etwa 200 Jahren nach der Macht im Hause und anderswo. Der Bezug dieser Metapher auf die in unseren Breiten traditionelle Vorherrschaft von Mannsbildern in Hosen hat sich ins kollektive Bewusstsein derart tief eingegraben, dass selbst die bisherige Frauenemanzipation ihn nicht aus der Welt schaffen konnte. Längst tragen zwar auch die Damen Hosen, aber noch immer die Männer keine Röcke. Sie fürchten Verweiblichung – statt endlich sich den Genuss dieses gerade für den Mann körperlich so angenehmen Kleidungsstückes zu erlauben. „Jetzt hast du‘s“, applaudiert Walter und ruft aus: „Männer, emanzipiert euch: Tragt Röcke!“ Jawoll – es müssen ja nicht gleich die ganz kurzen sein.
Der Autor im Internet: www.pecht.info