25 Jahre Förderverein Kultur im Café Hahn
Am Anfang stand die Sorge um den Fortbestand des Gülser Musik- und Kleinkunst-Clubs
Von Andreas Pecht
Im Besprechungszimmer des „Café Hahn“ zu Koblenz-Güls stecken einige Leute die Köpfe zusammen. Zwei Plakatentwürfe werden diskutiert und verworfen. „Der Farbkontrast zwischen Hintergrund und Schrift ist zu schwach“, wird bemängelt. Oder: „Zu viele pisselige Infos drauf; das ist kein Flyer, sondern ein Plakat; das Wichtigste muss im Vorbeifahren erfassbar sein.“ Und: „Die zentralen Stichworte müssen mehr in den Fordergrund: 25 Jahre Förderverein Kultur im Café Hahn – Jubiläumsfestival auf der Festung Ehrenbreitstein – 1. September – Eintritt frei.“ Ich bin zufälliger Beobachter dieser ebenso freundlich wie zielorient verlaufenden Fünf-Minuten-Szene. Danach Umschalten auf den eigentlichen Anlass der Zusammenkunft: Gespräch mit Saskia Scherhag-König, Frank Tiedemann und Berti Hahn, jenem Trio, das heute an der Spitze des Fördervereins Kultur im Café Hahn steht. Wir bleiben beim Thema: dem Vierteljahrhundert-Jubiläum eben dieses Vereins.
Was tut der Förderverein? Wozu wurde er 1993 gegründet? Noch bevor die Fragen gestellt sind, gibt Hausherr Berti Hahn, der zugleich Geschäftsführer des Vereins ist, Antworten. „Erstens, um auch Veranstaltungen durchführen zu können, die kulturell wertvoll sind, sich aber wirtschaftlich nicht tragen. Zweitens, um die Vielfalt von Kabarett bis Rock und mehr abbilden zu können. Drittens, um auch Nachwuchskünstler zu fördern, die den Laden eventuell noch nicht füllen.“
Soweit, so sinngemäß in den Statuten des „eingetragenen Vereins“ verankert. Und so auch verständlich: Als privatwirtschaftliches Unternehmen muss der Betrieb des Café Hahn selbst sich rechnen, muss Berti also Programme auflegen, die in der Gesamtbilanz für ökonomische Rentabilität hinreichend Publikum anziehen. Der Förderverein Kultur im Café Hahn e.V. hat da etwas andere Spielräume. Zwar muss auch dessen Vorstand die Lage der Vereinskasse im Auge behalten. Aber die vom Verein unterstützten sowie selbst veranstalteten Acts dürfen und sollen immer wieder auch Events der ausgefallenen Art sein. Dann ist es schön, wenn viele Leute kommen, aber kein Beinbruch, wenn weniger gefragte Künstler mal vor einer eher kleinen Besucherschar auftreten.
Wir spinnen den Gesprächsfaden zurück in die Frühzeit des Vereins. Wann und warum ist die Idee für seine Gründung gereift? „Als wir kurz vor der Pleite standen“, kalauert Berti, ruft dann aber ernsthaft den Übergangsprozess vom Konditorencafé zum Musik- und Kleinkunstclub in Erinnerung. Das war in 80ern/frühen 90ern eine spannende, aber ökonomisch für den gelernten Konditor, im Veranstaltungsgetriebe indes noch unerfahrenen Berti selten einfache Zeit. Hier kam nun Dr. Frank Tiedemann ins Spiel, Mediziner und nachher langjähriger Vorsitzender des Fördervereins. Der war Stammgast im Hahn – nicht des Kuchens wegen, der dort tagsüber noch immer nach altväterlicher Tradition serviert wurde, sondern um interessante Künstler zu erleben. Tiedemann sah die Probleme und hob mit sieben anderen Hahn-Freunden den Förderverein aus der Taufe. Der wuchs rasch auf 50, 100 und mehr Mitglieder an, ist heute mit weit über 2000 eine der größten gemeinnützigen Vereine dieser Art in Rheinland-Pfalz ist.
„Solche Solidarität im Rücken, mitsamt der finanziellen Unterstützung für Auftritte, die sich nicht rechneten, gab uns damals den Mut als reine Veranstaltungseinrichtung weiterzumachen,“ erklärt Berti. Und plötzlich steht auch dieser Satz im Raum: „Ohne den Förderverein gäbe es Horizonte-Festival und Gauklerfestival nicht mehr. Ohne den Verein hätte ich das nie gemacht!“ Das Gauklermeeting gehört seit 1992 zu den großen kulturellen Sommerevents in Koblenz, das Weltmusikfestival Horizonte kam vor 16 Jahren dazu. Die Größenordnung beider Veranstaltungen – heute auf der Festung Ehrenbreitstein angesiedelt – mit je 15 000 bis 30 000 Besuchern wäre ohne Mitwirkung und finanzielle Rückversicherung durch den Förderverein Kultur im Café Hahn gar nicht möglich. Mitgliedsbeiträge, Sponsoren, Zuschüsse aus Kulturfördertöpfen sowie ein opulentes Netzwerk von Fürsprechern und Mistreitern: Der Verein kann einiges Gewicht zugunsten des kulturellen Lebens am Mittelrhein in die Waagschale werfen. Eine Messzahl: Vereinskassenwart Achim Friedel Vetters hat jährlich rund 600 000 Euro Umsatz zu verwalten.
Horizonte/Weltmusik sind das Stichwort für Frank Tiedemann – dereinst in den späten 1960ern als Schüler beim linkspluralistischen Kultur- und Debattierzirkel „Club Humanité Koblenz“ engagiert und dort verantwortlich für die Organisation von Konzerten sowie politischen Veranstaltungen. Aus jenem intensiv mit den Entwicklungen in Asien, Afrika und Lateinamerika befassten Umfeld stammt Tiedemanns Vorliebe für Weltmusik sowie die Offenheit für andere Kulturaspekte jenseits des Mainstreams. Diese Neigung brachte er ins Amt des Vereinsvorsitzenden ein, motivierte dort einen entsprechenden Schwerpunkt im Veranstaltungsprogramm.
„Der Verein brachte auch abgefahrenes Zeug nach Koblenz“ kommentiert Berti Tiedemanns Erinnerungen an Auftritte etwa von „Ballhaus“ mit Texten Tucholskys und Brechts, von Roland Neuwirth und den „Wiener Extremschrammeln“, an skurrile Filmvorführungen, an afrikanische und jüdisch/arabische Abende oder solche mit Akkordeonmusik und rumänischen Liedern. Man merkt Hahn an, dass er seine Freude an solcher Vielfalt hat, auch wenn er bisweilen den Kopf schütteln mag. Doch ohne Tiedemann und den Förderverein hätte es auch die Reihen Kabarett am Montag, Kabarett-Bundesliga, Comedy-Club am Sonntag und das Blumenhof-Festival, aus dem das Horizonte-Festival hervorging, ebenso wenig geben können wie die aktuelle Kooperation mit Rockbuster, dem Landesprogramm für Newcomer-Bands.
Saskia Scherhag-König lauscht gespannt den Erinnerungen der zwei Herrn. Die jetzige erste Vorsitzende des Fördervereins ist eine halbe Generation jünger, lag noch in den Windeln als Frank Tiedemann seine Veranstaltungen für den Club Humanité organisierte oder Berti Hahn die väterliche Konditorei übernahm. Die hellwach, gut gelaunt, zugleich umgänglich und zielstrebig wirkende Anwältin ist nach eigenen Worten kulturell vor allem von Pop und Klassik geprägt, gleichwohl Stammgast im Hahn quasi von Jugend an. 2014/15 fragte man sie, ob sie im Vorstand des Fördervereins mitmachen wolle. Sie wollte und wurde zur zweiten Vorsitzenden gewählt. Kurz darauf rückte Scherhag-König an die erste Stelle auf, weil ihr Vorgänger schwer erkrankte. Gott sei Dank sprang Tiedemann dem Teufel wieder von der Schippe – nimmt jetzt einvernehmlich die Position des zweiten Vorsitzenden im verjüngten Vereinsvorstand ein.
Am 1. September feiert der Förderverein Kultur im Café Hahn e.V. also angemessen seinen 25. Geburtstag. Auf drei Bühnen in der Festung Ehrenbreitstein werden Bands und Acts zuhauf aufgefahren, darunter alte Hahn-Bekannte wie auch Neu-Innovative. Schön wäre es, würde dann inmitten von Festivalfreuden der eine oder andere daran denken: Auch dies ist nur möglich, weil anno dunnemals einige kultursinnige Bürger sich selbstlos ins Zeug gelegt haben.