Weltweit angesehen: das Gitarrenfestival Koblenz
Im jetzt 27. Jahrgang (2. – 10. Juni) wird Wolf Biermann mit dem Ehrenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet
Von Andreas Pecht
Seit den frühen 1990ern gibt es in Koblenz alljährlich ein Ereignis, von dem die breite Öffentlichkeit daheim zwar nur wenig Notiz nimmt, das aber in einem speziellen musikalischen Fach weltweit höchstes Ansehen genießt: das International Guitar Festival & Academy. Im jetzt 27. Jahrgang belegt das Festival im Juni eine gute Woche lang (2.6. – 10.6.) die gesamte Rhein-Mosel-Halle sowie das Kurfürstliche Schloss. Dann kommen wieder Gitarristen vornehmlich der klassischen und jazzigen Richtung aus rund 50 Ländern nach Koblenz, um zu lehren, zu lernen und zu konzertieren. Darunter finden sich renommierte Groß- und Altmeister aus dem Zupf-Fach, die hier mit den hoffnungsvollsten und besten Nachwuchstalenten zusammenkommen. Etwa 200 junge Gitarristen nehmen an den Meisterkursen und Workshops des Festivals teil, lernen dort von drei Dutzend hochkarätigen Dozenten. Insgesamt 26 Konzerte bietet das Festival der interessierten Öffentlichkeit – von den Beiträgen zum Wettbewerb des Festivals über Solorecitals etwa Manuel Barruecos, Marcin Dyllas, David Russells und anderen bis hin zu groß besetzten Nachmittags- und Abendkonzerten.
Einer der Höhepunkte 2019 ist am 9. Juni die Ehrenpreis-Verleihung des Festivals für das Lebenswerk an Wolf Biermann. Passend zum 30. Jahrestag des deutschen Mauerfalls wird damit ein Mann gewürdigt, der auf ganz eigene nachdenkliche, kritische, renitente Art die Geschichte Deutschlands und der deutschen Teilung begleitet hat. Der deshalb einst von der DDR-Führung zwangsausgesiedelt wurde. Wobei der Preis, erklärt Festivalgeschäftsführer Georg Schmitz, weniger dem politischen Engagement Biermanns gelte, sondern vor allem seiner hohen Kunst als Poet und insbesondere als Gitarrist. Mit seinem innovativen, die Möglichkeiten des Instruments auf immer neue Weise erprobenden und ausweitenden Spiel, und mit seinem unverwechselbaren markanten Gesang hat der Liedermacher Biermann auch der deutschen Liedkultur ganz neue Dimensionen eröffnet.
Über die Auszeichnung gerade für die musikkünstlerische Seite seines Schaffens habe der jetzt schon 82-jährige Gitarrenbarde sich besonders gefreut, erzählt Schmitz. Für das Festkonzert zur Preisverleihung in der Rhein-Mosel-Halle will er selbst nach Koblenz kommen und auch einige seiner Stücke selbst vortragen. Daneben werden am Abend des 9. Juni namhafte Musiker und teils langjährige Weggefährten des Koblenzer Gitarrenfestivals Musik von und für Wolf Biermann spielen, darunter Olaf Van Gonnissen, Hubert Käppel, Nora Buschmann, Hans Werner Huppertz oder Frank Haunschild. Dieser Ehrenpreis des Festivals für ein Lebenswerk wird übrigens nicht jedes Jahr vergeben, sondern nur unregelmäßig zu besonderen Anlässen an Zeitgenossen, die sich auf herausragende Weise um die Gitarrenkunst verdient gemacht haben. Nach Pepe & Celin Romero, Konrad Ragossnig, John D'Addario und Bernard Maillot ist Biermann erst der fünfte Preisträger in 27 Jahren.
Wir sind mit dem Geschäftsführer und Gründer des International Guitar Festivals & Academy, Georg Schmitz, in seinem Neuwieder Büro zum Gespräch über Anfänge und Geschichte der Unternehmung verabredet. Wie so oft stellt auch in diesem Fall heraus: Die Anfänge waren ausgesprochen unscheinbar und den ersten paar Durchläufen konnte kein Mensch ansehen, dass daraus mal ein Ereignis von internationalem Gewicht entstehen würde. Denn eigentlich sollte/wollte Schmitz nur einen kleinen Event für Kammermusik und Jazz anlässlich des 20. Geburtstages der Musikschule Koblenz, seiner damaligen und heutigen Arbeitsstelle, organisieren. Der Geburtstag wurde dann auch gefeiert mit einem Klassik-, einem Jazz- und einem Teilnehmerkonzert der von Beginn an mitveranstalteten Meisterkurse. Als Dozenten der ersten Stunde waren fürs klassische Fach auch Hubert Käppel und der Jazzer Frank Haunschild dabei.
Die Sache war gut gelaufen, und als das Folgejahr sich dem Ende näherte, stand die Frage im Raum: Was tun – eine Neuauflage versuchen, mit wem, in welchem Rahmen, unter welcher Trägerschaft? „Von einem speziellen Gitarrenfestival war da noch lange nicht die Rede", erinnert sich Schmitz. „Wir wollten einfach ein kleines, feines und qualitativ anspruchsvolles Musikfestival machen." Weil nun aber Schmitz selbst von Hause Gitarrist und Gitarrenlehrer ist, ebenso Käppel und Haunschild es sind, bekam die Sache von Jahr zu Jahr mehr einen Ausgabe KO 04|2019 Koblenz 21 gitarristischen Schwerpunkt – und wuchs. Nach dem zweiten Durchlauf zog das Festival für drei Jahre auf den Lahnsteiner Hof Aspich um, wo oft die Kühe eine pittoreske Begleitstimme zur Musikkunst muhten. Dann wieder Rückkehr nach Koblenz; jetzt wurde der alte Rathaussaal zur zentralen Konzertstätte des Festivals. Dort gab denn auch Pepe Romero sein erstes Solokonzert am Ort. Bis zum zehnten Jahr war schließlich die Gitarre das unübersehbar dominante Instrument des inzwischen als Verein organisierten und eingetragenen Festivals geworden.
Im siebten Jahr hatte man auch in der Koblenzer Stadtführung begonnen zu ahnen, dass da ein Pfund heranwächst, das der Rhein-Mosel-Stadt kulturell gut zu Gesicht steht. Und erstmals gab es einen städtischen Zuschuss von 5000 Mark. Schmitz erinnert sich dankbar an die zu jener Zeit einsetzende Zusammenarbeit mit Bert Flöck, damals Chef der Koblenz-Touristik. Der öffnete nicht nur den Weg für das Festival in die Rhein-Mosel-Halle, sondern „zeigte mir auch, wie man das machen muss mit dem Managment und der Bürokratie; darüber wusste ich ja fast gar nichts." Im elften Jahr kam schließlich über den seinerzeitigen Mainzer Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig die Festivalförderung durch das Land ins Laufen. Von dort kamen nun rund 5000 Euro in die Vereinskasse. Dass daraus ein feste Stütze wird, dafür sorgt seither der Kultursommer des Landes.
Mehr noch: Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie stieg als orchestrale Verstärkung ins Gitarrenfestival ein. Seit 15 Jahre schon ist nun das große Konzert „Friday Night for Guitar & Orchestra" einer der Festival-Höhepunkte. Und Schmitz schwärmt geradezu vom „fantastischen und durchaus nicht selbstverständlichen Einfühlsvermögen, das dieses Orchester beim Zusammenwirken mit Sologitarre jedesmal wieder an den Tag legt". Längst ist das Koblenzer Guitar Festival mit seinem Konzert- und Akademieangebot eine feste Größe in der internationalen Gitarrenszene geworden. Der große Saal der Rhein-Mosel-Halle ist nicht mehr zu groß, weitere Säle hier und im Schloss werden belegt; die Kurse der Akademie verteilen sich auf Räumlichkeiten in der ganzen Stadt. Die Liebfrauenkirche ist Austragungsort der „Musik zur Marktzeit". In der Citykirche am Jesuitenplatz findet die festliche musikalische Pfingstmesse in Kooperation mit den Arnsteiner Patres statt, deren Kollekte für einen wohltätigen Zweck eingesetzt wird.
Wie kommt es, dass eine anfangs unscheinbare lokale Initiative zu einem weltweit be- und geachteten Ereignis wird und sich über 27 Jahre nicht nur hält, sondern stetig wächst? Georg Schmitz hat dafür eine einfache und klare Antwort: „Nie nachlassen im künstlerisch hohen Qualitätsanspruch und auf verlässliche Kontinuität bauen – auch wenn's manchmal schwierig wird." Und schwierig wurde es schon das eine oder andere Mal in der bald drei Jahrzehnte währende Geschichte dieses Festivals, vor allem wenn der Vereinsvorsitzende finanziell mit privaten Mitteln Lücken füllen oder Garantien abgeben musste. Bei der inzwischen erreichten Größenordnung des Festivals ist solch eine Struktur nicht mehr vertretbar. Weshalb 2017 der Verein in eine gGmbH mit sechs Gesellschaftern und Schmitz als Geschäftsführer umgewandelt wurde. Sie und die regelmäßig 30 bis 40 Helfer aus dem Förderkreis des Festivals machen ihre Arbeit ehrenamtlich.
Das Eröffnungskonzert am 2. Juni (18 Uhr, Rhein-Mosel-Halle) mit Anton Bruckners gewaltiger 7. Sinfonie weist auf zwei Aspekte hin. Zum einen steht da ein rein orchestraler Großklassiker auf dem Programm und spielt die Gitarre überhaupt keine Rolle. Schmitz erklärt das so: „Wir wollen nach wie vor kein lupenreines Festival nur für Gitarrenmusik sein, sondern eines für anspruchsvolle Musik." Zum anderen wird das Konzert bestritten vom Orchester der Hochschule für Musik Mainz. Darin sowie einigen anderen Auftritten von Musikstudierenden aus Mainz manifestiert sich eine neue Kooperation des Guitar Festivals: Nämlich mit der Mainzer Hochschule, wo Dozenten des Koblenzer Festivals jetzt einen Masterstudiengang für Gitarre betreuen. So zieht auch im 27. Jahr das Koblenz International Guitar Festival & Akademie immer weitere Kreise.
Infos: www.koblenzguitarfestival.de