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Einstürzende Neubauten

Quergedanken im Januar 2015 von Andreas Pecht

 

Quergedanken - von Andreas Pecht„Diese Überschrift geht nicht,” brummt Walter. „Die Leute denken sofort an die gleichnamige Musikgruppe, statt an den Wortsinn.” Och, das macht nix, lieber Freund, ich krieg die Kurve trotzdem. So nämlich: Es heißt, der Name „Einstürzende Neubauten” für die im Frühjahr 1980 gegründete Band von Blixa Bargeld sei inspiriert durch den Einsturz der Berliner Kongresshalle ebenfalls im Frühjahr 1980. Die Legende ist hübsch, aber falsch. Der Bandname existierte bevor das Hallendach des Westberliner „Leuchtturms der Freiheit” einbrach. Für den Crash hätte mancher damals gerne sowjetischen Tieffliegern die Schuld gegeben. Doch Baugutachter erkannten auf „Mängel in der Bauausführung” und „korrosionsbedingte Brüche” als Ursache für den Einsturz des schicken Gebäudes – das zu jenem Zeitpunkt gerade mal 22 Jahre alt war.


Womit wir bei einem Phänomen wären, das ich partout nicht begreife: Trotz ständig neuer, optimierter Baumaterialien sowie innovativer Fertigungs- und Bautechniken wird die Lebenszeit von Bauten und Verkehrsflächen immer kürzer, je jünger sie sind. Beispiel: Die Sanierung der berüchtigten Holperpiste A48 zwischen Koblenz und Trier. Ginge es nach meinem Hinterteil, könnte die eben beendete Arbeit von vorne beginnen. Denn an etlichen Streckenabschnitte eiert man auf der rechten Spur schon wieder durch von LKW ausgefahrene Wellen-Landschaften. Anderes Beispiel: Ich kenne zwei mit Klinkersteinen hübsch gepflasterte Kurzzeit-Parkplätze. Angelegt vor 20 Jahren, mussten beide seither ein Dutzend Mal neu gepflastert werden. Offenbar berechnet irgendwer die Beanspruchung von Untergrund und Pflasterung jedes Mal falsch.


Wär‘s nicht so traurig, man müsste lachen über die Sache mit den neuen Leitplanken für Autobahnen. Weil die gewohnten Planken aus Metall nach jedem Unfall ausgetauscht werden müssen, setzen Bundesverkehrsspezialisten seit einiger Zeit verstärkt auf Begrenzungen aus Stahlbeton. Die seien robuster, langlebiger, billiger und verursachten weniger Bausstellen. 40 Jahre sollten die Betonplanken laut Fach-Prognose halten. Leider stellt sich jetzt heraus, dass sie nach nichtmal zehn Einsatzjahren zu Bröselei neigen und deshalb wohl zwei bis drei Jahrzehnte vor der Zeit ausgetauscht werden müssen. Glücklicherweise haben sich die Koblenzer Brücken als nicht ganz so kurzatmig erwiesen. Zwar sind nun fast alle zur Generalsanierung fällig geworden. Doch geht es da überwiegend um Bausubstanz, die immerhin seit den 1970ern Dienst tut. Ausgenommen die Kurt-Schumacher-Brücke über die Mosel: Noch keine 25, aber schon über Plattfüße, Krampfadern, Rücken klagen. Wären die Veteranen unter den deutschen Eisenbahnbrücken auch solche Jammerlappen, die Bahn hätte längst den Betrieb einstellen müssen. So aber sind gerade die Ältesten zähe Hunde: 9000 der 25000 Brücken des Bahnnetzes sind älter als 100 Jahre, stammen noch aus dem 19. Jahrhundert.


Kriegt denn solche Langlebigkeit heute keiner mehr hin? Irgendwas läuft doch da falsch im modernen Bauwesen. Unter den traditionellen Fachwerk- und Bruchsteinhäusern in Westerwald, Eifel, Hunsrück haben die meisten locker 150, viele 300, manche 500, einige 1000 und mehr Jahre auf dem Buckel. Wenn ich mich in Neubaugebieten umsehe, durchs Frankfurter Bankenviertel oder über den Koblenzer Zentralplatz gehe, traue ich keinem der dortigen Gegenwartsbauten zu, jemals ein ähnliches Alter zu erreichen.

 

Der Autor im Internet: www.pecht.info

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